Auf dem alten Sportplatz stehen noch die Tore. Davor wuchert der Rasen. Die Fenster der meisten Häuser sind mit Holzlatten verschraubt oder haben heruntergelassene Rolläden. Die alte Kirche ist 2023 niedergebrannt. Die Häuser sehen allesamt aus, wie Relikte aus den 60er- und 70er-Jahren. Früher hieß dieser Ort Morschenich, danach Morschenich alt – nun gibt es wieder einen neuen Namen.
Es ist einer der Orte, die heute eigentlich nicht mehr existieren sollten. Er liegt kurz vor der Abbruchkante der RWE Tagebaus Hambach, nahe der A4 und östlich von Manheim alt, dem anderen Geisterort. (Foto: IMAGO / Panama Pictures / Christoph Hardt)
Eigentlich existiert das alte Morschenich auch nicht mehr. Und irgendwie doch noch. Fest steht nur: Hier wird künftig nichts mehr so werden, wie es früher war. Dennoch werden die Grundzüge dieses Ortes auch in 10, 20 und 30 Jahren erkennbar sein.
Der Ort mit seinen 140 Häusern wird vom Tagebau verschont, muss nicht mehr abgebaggert werden. Das steht seit 2021 fest. Die Bewohner sind in den vergangenen 5-10 Jahren dennoch fast alle umgesiedelt in Morschenich neu, das nun einfach Morschenich heißt und wenige Kilometer weiter auf der anderen Seite der A4 bei Merzenich liegt.
Es bleibt die Frage: Was macht man mit einem alten Geisterort, der nun doch nicht mehr verschwindet?
Man kann nach wie vor ganz normal durch den Ort fahren. Eine Hand voll Leute wohnen noch hier. In den 70er-Jahren waren es über 600 Menschen.
- Die Gebäude sind überwiegend in einem schlechten baulichen Zustand.
- Die Gemeindebedarfsinfrastruktur ist ebenfalls nicht mehr intakt.
- Darüber hinaus ist das Feuerwehrgerätehaus verwaist.
- Anlagen für Spiel und Sport sind nicht nutzbar.
- Private Versorgungseinrichtungen, wie Supermärkte, haben den Ort verlassen.
Geisterort wird Ort der Zukunft
Die Gemeinde Merzenich hat hierzu eine Idee entwickelt. Wie die Vision konkret aussehen wird, ist aktuell noch unklar. Fest steht nur: Der Ort, der vor fünf Jahren noch dem Verschwinden geweiht war, von dem nichts mehr hätte übrig bleiben sollen, soll nun ein Ort der Zukunft werden.
Eine skurrile Situation, deutschlandweit einmalig.
Die Gemeinde Merzenich hat beschlossen, den Ort von RWE zurückzukaufen. Seit dem 1. September gehört das Gelände wieder der Gemeinde. 36,8 Mio. Euro hat das gekostet. Der Großteil kam aus Landesmitteln. Die Gemeinde selbst musste 920.000 Euro zuzahlen.
Morschenich alt heißt jetzt Bürgewald
Der Ort hat nun einen neuen Namen: An den Schildern steht Bürgewald – benannt nach einem benachbarten Waldstück.
Die Vision: Hier soll ein Ort der Zukunft entstehen. Dazu soll in den kommenden 15 Monaten ein Masterplan entwickelt werden. Die Lage scheint günstig: Im Kölner Umland, direkt an der A4 und in vielen Jahrzehnten auch nahe dem Ufer des Hambacher See, der in den nächsten 50 Jahren mit Wasser aus dem Rhein befüllt werden soll.
Anzeige:90 Mio. Euro für die Entwicklung des Geisterortes
Die Bewohner von Morschenich neu hatten auch die Möglichkeit, ihre alten Häuser zurückzukaufen. Davon jedoch haben nur wenige Gebrauch gemacht. Die Gemeinde selbst verkauft die Grundstücke in dem Ort nicht selbst, sondern vergibt sie nur via Erbpacht. Das soll verhindern, dass Spekulanten die Grundstücke aufkaufen. Wer hier pachtet, muss auch bauen – und selbst hier wohnen. Das sind die strengen Regeln der Gemeinde.
Geld steht für eine Sanierung und Entwicklung des Geisterortes zur Genüge zur Verfügung: Aus Landesmitteln gibt es dafür rund 90 Mio. Euro. Ob alle Häuser erhalten bleiben, ist aktuell noch völlig unklar. Fest steht nur: Das frühere Ortsbild mit historisch wertvollen Gebäuden und Strukturen soll erhalten bleiben. Es soll mit innovativen Gebäuden und Baufeldern nachhaltig ergänzt werden.
Abgebrannte Kirche soll wieder aufgebaut werden
Sogar die abgebrannte Sankt Lambertus-Kirche soll wiederinstandgesetzt werden, da sie eine zentrale Rolle für das spätere Gemeinschaftsleben einnehmen soll. Die Entwicklung des Ortes zum späteren See, seine Einbindung in die Landschaft sowie auch das Ermöglichen von innovativen Maßnahmen zur innovativen Energieversorgung sollen eine besondere Rolle spielen.
Wie wird es dem Geisterort ergehen? Das steht aktuell noch in den Sternen. Fest steht nur: In den kommenden Jahrzehnten wird hier etwas passieren, was es so deutschlandsweit noch nie gegeben hat.
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Fakten zum Tagebau Hambach:
- Die größte Braunkohlegrube Europas
- Seit 1978 wird gegraben, seit 1984 Kohle abgebaut
- Die abgebaute Kohle wird mit der Hambachbahn zu den nahe gelegenen RWE-Kraftwerken gebracht